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Wir geben 8 auf die VG Wort
Schon seit Langem steht den Kreativen in der Europäischen Union ein „gerechter Ausgleich“ dafür zu, dass ihre Werke im Rahmen der Privatkopie-Ausnahme vervielfältigt werden (Art. 5.2 (a) Infosoc-RL). Sie können nicht verbieten, dass ihre Werke privat kopiert werden, und auch kein Geld dafür verlangen. Diese Einschränkung ihrer Verfügungsgewalt über das Werk wird dadurch kompensiert, dass die Nutzer für Privatkopien eine pauschale Vergütung bezahlen. Sie ist enthalten in Leermedien und kopierfähigen Geräten und wird über Verwertungsgesellschaften an die Urheber weitergeleitet. Der „gerechte Ausgleich“ bemisst sich der Höhe nach am „Schaden“, der dem Urheber durch die Kopien entsteht. Dieser wird wiederum in Abhängigkeit von der Intensität der Nutzung berechnet. Grob gesagt: Man geht davon aus, dass Werke, die viel verkauft werden, auch oft kopiert werden. Für Geräte, mit denen viel kopiert wird, müssen die Hersteller und Importeure höhere Abgaben zahlen.
Verteilt werden diese Einnahmen, die sogenannten „gesetzlichen Vergütungen“, an die originären Anspruchsberechtigten. Das sind Urheber, also Autoren, Komponisten oder andere Kreative, sowie Leistungsschutzberechtigte, also zum Beispiel Musiker, Film- oder Musikproduzenten. Verleger dürfen an diesen Ausschüttungen nicht beteiligt werden, da sie weder über Urheberrechte verfügen noch über Leistungsschutzrechte (abgesehen vom bislang eher bedeutungslosen Leistungsschutzrecht für Presseverleger). Sie sind darauf angewiesen, ihr Geschäft über die Hauptrechte zu machen, also den Verkauf von Büchern. In seinem Luksan-Urteil von 2012 musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Frage entscheiden, ob ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union gesetzliche Regelungen schaffen kann, die es ermöglichen, dass Urheber zugunsten Dritter auf diese Einnahmen verzichten, also beispielsweise zugunsten von Verlegern. Die Antwort fiel deutlich aus: Es ergebe sich „hinsichtlich des Anspruchs auf gerechten Ausgleich, der den Urhebern im Rahmen der Privatkopieausnahme geschuldet wird, aus keiner Bestimmung der Richtlinie 2001/29, dass der Unionsgesetzgeber die Möglichkeit eines Verzichts des Anspruchsberechtigten ins Auge gefasst hätte.“ (Randnummer 105). Im Übrigen sei dem Mitgliedsstaat eine „Ergebnispflicht“ in dem Sinne auferlegt, „dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs, der den Inhabern der verletzten Rechte den entstandenen Schaden ersetzen soll, sicherstellen muss, da diesen Bestimmungen sonst jede praktische Wirksamkeit genommen würde [...]. Den Mitgliedstaaten eine solche Ergebnispflicht zur Erhebung des gerechten Ausgleichs für die Rechtsinhaber aufzuerlegen, lässt sich [...] konzeptionell nicht mit der Möglichkeit für die Rechtsinhaber vereinbaren, auf diesen gerechten Ausgleich zu verzichten.“ (Randnummer 106) In seinem Reprobel-Urteil von 2015 musste der EuGH darüber entscheiden, ob es einem Mitgliedsstaat erlaubt ist, „einen Teil des den Rechtsinhabern zustehenden gerechten Ausgleichs den Verlegern der von den Urhebern geschaffenen Werke zu gewähren“ (Randnummer 44). Auch hier fiel die Antwort eindeutig aus: Verleger seien keine Rechteinhaber, folglich entstehe ihnen durch die Nutzung auch kein Nachteil. „Sie können daher keinen Ausgleich aufgrund dieser Ausnahmen erhalten, wenn dadurch den Inhabern des Vervielfältigungsrechts der gerechte Ausgleich, auf den sie aufgrund dieser Ausnahmen Anspruch haben, ganz oder teilweise entzogen wird.“ (Randnummer 48) Kurz: Es darf auf nationaler Ebene kein Gesetz geben, das im Ergebnis darauf hinausläuft, dass Urheber zugunsten von Verlagen auf ihre Ansprüche verzichten oder dass ein Teil dieser Ansprüche von vornherein den Verlegern zugesprochen wird. Beides würde aus Sicht des EuGH den Anspruch auf einen gerechten Ausgleich, der zum Schutz des Urhebers geschaffen wurde, unterlaufen. Daher konnte der Deutsche Bundestag bislang keine europarechtskonforme Regelung schaffen, die eine Fortsetzung der bisherigen Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften ermöglicht hätte. Im Zuge der Überarbeitung der europäischen Urheberrechts-Richtlinie soll sich das nun aber ändern. Der Entwurf für einen Artikel, der die Verlegerbeteiligung ermöglichen soll, liegt bereits vor. Hier der Text: Artikel 12 Ausgleichsansprüche Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass für den Fall, dass ein Urheber einem Verleger ein Recht übertragen oder diesem eine Lizenz erteilt hat, diese Übertragung oder Lizenzierung eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Verleger darstellt, einen Anteil am Ausgleich für die Nutzungen des Werkes zu beanspruchen, die im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das übertragene oder lizenzierte Recht erfolgt sind. (Hier der KOM-Entwurf, hier das Procedure File) Das bedeutet: Wenn der Urheber das Hauptrecht einem Verlag übertragen hat, hat der Verlag einen Anspruch auf das Geld, das der Urheber aus Schrankennutzungen dieses Werks erhält. Wenn also der Urheber dem Verlag das Recht einräumt, sein Werk zu vervielfältigen (was er natürlich tut, sonst gäbe es ja kein Buch), dann soll der Verlag auch einen Anspruch gegen den Urheber haben, einen Teil der Einnahmen aus der Privatkopie-Ausnahme (eine sogenannte Schrankennutzung) abzubekommen. Diese Systematik ist gänzlich neu. Bislang ist das Urheberrecht stets so gestaltet, dass Urheber Ansprüche gegenüber Nutzern haben. Nutzer müssen zahlen, wenn sie ein Werk nutzen wollen. Verlage bezahlen Autoren dafür, dass sie ein Werk als Buch drucken dürfen. Bei iTunes oder Spotify bezahlen Endnutzer eine Lizenz, damit sie Musik downloaden oder streamen können. Zeitungen bezahlen Fotografen dafür, dass sie Fotos abdrucken dürfen. In all diesen Fällen zahlt der Nutzer also an den Urheber. Die geplante Regelung zur Verlegerbeteiligung dreht dieses Prinzip um. In Zukunft soll nicht der Nutzer an den Verlag zahlen, sondern der Verlag erhält einen Rechtsanspruch gegen den Urheber. Dieser soll verpflichtet werden, ihm einen Teil seines „gerechten Ausgleichs“ aus der Privatkopieabgabe abzugeben. Ob eine solche Regelung mit dem Konzept des „gerechten Ausgleichs“ vereinbar ist, erscheint fraglich. Schließlich wird der Urheber auf diese Weise genötigt, ohne jede Gegenleistung auf einen Teil dieses Ausgleichs zu verzichten, was noch nicht einmal durch ein Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt wird. Einen solchen Verstoß gegen Art. 17 der EU Charta müsste man allerdings wiederum erst bis zum EuGH durchklagen. Ob und wann die Regelung in Kraft tritt, ist noch unklar. Wie David Hammerstein berichtet, drängt Deutschland derzeit darauf, den Artikel aus dem Urheberrechtspaket herauszulösen und in das Dossier zur Umsetzung des Marrakesh Treaty zu verschieben, damit die Regelung schneller in Kraft treten kann. Die Umsetzung dieses Vertrags, in dem es um Urheberrechtsausnahmen für Blinde und Sehbinderte geht, wird, wie informierte Kreise berichten, seit Monaten von der Bundesregierung blockiert. Sie könnte diese Blockade aufgeben, wenn die anderen Länder im Gegenzug die Regelung zur Verlegerbeteiligung ohne viel Aufhebens durchwinken. Doch dieses Vorgehen wirkt insgesamt so wenig abgestimmt, dass es kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
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Januar 2019
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