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Wir geben 8 auf die VG Wort
Dieser Text ist ein Update zu dem bereits vorgestern hier veröffentlichten Text. Nachdem der Bundesgerichtshof am 21. April 2016 entschieden hat, dass die VG WORT seit Jahrzehnten rechts- und treuwidrig einen Verlegeranteil ausgeschüttet hat und auch in Zukunft nur noch an Autoren und nicht mehr an Verlage ausschütten darf (I ZR 198/13 – Verlegeranteil), hat das BMJV im Juli 2016 einen Regelungsvorschlag gemacht, mit dem es dieses Urteil weitgehend rückgängig machen möchte. Mit leichten Änderungen entspricht diesem Vorschlag ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Urhebervertragrecht, der vginfo.org vorliegt und noch diese Woche im Deutschen Bundestag beschlossen werden soll. Dem Bestreben, Verleger auch in Zukunft an den Vergütungen der Urheber zu beteiligen, steht derzeit noch das Europarecht im Wege. Denn mit seinem Reprobel-Urteil hat der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung getroffen, um die auch der deutsche Gesetzgeber nicht herumkommt. Sie betrifft die Frage, wie die Regelung zum „gerechten Ausgleich“ in der europäischen Urheberrechtsrichtlinie auszulegen ist. In dem betreffenden Artikel 5 geht es, knapp gesagt, darum, wer das Geld bekommen soll, das über Pauschalabgaben, wie sie im Preis von Kopiergeräten und Speichermedien enthalten sind, für (legale) private Kopien bezahlt wird. Auf dieses Geld, die so genannten „gesetzlichen Vergütungen“, haben nach Meinung des EuGH nur die Urheber einen Anspruch, nicht jedoch die Verleger. Ein nationales Gesetz, das einen Teil der Autorengelder doch den Verlegern zuschanzt, ist unzulässig, so der EuGH (Urteil, siehe Randnummern 44-49). Weder nach EU-Recht noch nach deutschem Recht haben Verleger derzeit ein „Leistungsschutzrecht“ oder eine sonstige vergleichbare Rechtsposition inne – in der oben erwähnten Urheberrechtsrichtlinie sind sie in Artikel 2 nicht aufgeführt. Deshalb können sie „keinen Ausgleich aufgrund dieser Ausnahmen erhalten, wenn dadurch den Inhabern des Vervielfältigungsrechts der gerechte Ausgleich, auf den sie aufgrund dieser Ausnahmen Anspruch haben, ganz oder teilweise entzogen wird“, heißt es in Randnummer 48 des Reprobel-Urteils. Zuvor hatte der EuGH bereits in seinem Luksan-Urteil festgehalten, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen müssen, dass der „gerechte Ausgleich“ unbedingt beim originären Rechteinhaber ankommt. Dies sei „konzeptionell nicht mit der Möglichkeit für die Rechtsinhaber zu vereinbaren, auf diesen gerechten Ausgleich zu verzichten“, heißt es in Randnummer 106 des Urteils. Über beide Urteile will sich der deutsche Gesetzgeber nun hinwegsetzen. Bis zu einer Änderung des Europarechts (der entsprechende Vorschlag hier) soll eine „Übergangslösung“ greifen, die es erlaubt, die Verleger weiter zu beteiligen, obwohl sie nach dem derzeit geltenden europäischen Recht nicht mehr beteiligt werden dürfen. In der Praxis braucht eine solche Regelung nicht europarechtskonform zu sein, sondern nur gut genug, um der VG WORT einen Vorwand zu liefern, ihre jetzige illegale Praxis beizubehalten. Es müsste dann erst wieder jemand dagegen klagen – und bis dahin dürfte eine europäische Neuregelung in Kraft sein. Wie sehen die geplanten Regelungen aus? Es wird zunächst ein neuer § 27 (2) VGG vorgeschlagen: „Nimmt die Verwertungsgesellschaft Rechte für mehrere Rechtsinhaber gemeinsam wahr, kann sie im Verteilungsplan regeln, dass die Einnahmen aus der Wahrnehmung dieser Rechte unabhängig davon, wer die Rechte eingebracht hat, nach festen Anteilen verteilt werden.“ Es soll also in Zukunft nicht mehr darauf ankommen, wer Rechte in eine Verwertungsgesellschaft einbringt. Der zivilrechtliche Prioritätsgrundsatz soll für den Bereich der Verwertungsgesellschaften außer Kraft gesetzt werden. Bisher sieht die Sache wie folgt aus: Ein Urheber unterschreibt einen Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft und überträgt ihr Rechte. Folglich steht ihm der Ertrag zu, den die Verwertungsgesellschaft mit diesen Rechten erzielt. Wenn er hinterher einen Verlagsvertrag unterschreibt, kann er dieselben Rechte nicht ein zweites Mal übertragen. Der Verlag kann sie seinerseits also auch nicht in die Verwertungsgesellschaft einbringen und folglich auch kein Geld von ihr bekommen. Für gesetzliche Vergütungsansprüche, also das Geld aus der Privatkopieabgabe, spielt diese Neuregelung keine Rolle. Sie stehen schon europarechtlich allein den Urhebern zu, unabhängig davon, ob der Verlag oder der Autor sie in die Verwertungsgesellschaft einbringt. Das geht aus dem erwähnten Reprobel-Urteil klar hervor. Verleger können, sofern gesetzliche Vergütungsansprüche betroffen sind, also keine Rechtsinhaber sein, da die Urheber ihnen ihre Ansprüche im Vorhinein nicht abtreten können. Selbst, wenn sie dies im Nachhinein täten, müsste der „gerechte Ausgleich“, den die Privatkopieabgabe darstellt, dem EU-Recht zufolge unbedingt bei den Urhebern ankommen. Anders sieht es bei Lizenzen und Nutzungsrechten jenseits der Pauschalvergütung aus, die bei der GEMA den größten Anteil ausmachen. Hier kommt es durchaus darauf an, bei wem die Rechte liegen. Wenn ein Musikurheber einen Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA abgeschlossen hat, kann er die Rechte, die er ihr zur Wahrnehmung übertragen hat (etwa Rechte der öffentlichen Wiedergabe), bislang nicht noch einmal einem Verlag übertragen. Folglich darf die GEMA den Verlag auch nicht an den Ausschüttungen beteiligen. Wenn es in Zukunft aber nicht darauf ankommen soll, wer die Rechte (zuerst) in die Verwertungsgesellschaft eingebracht hat, könnten Verlage sich auf im Nachhinein abgeschlossene Verlagsverträge berufen, um doch wieder einen Teil des Geldes der Urheber abzuschöpfen. Ob diese Regelung hält, ist unklar. Der Prioritätsgrundsatz ist schließlich ein allgemein zivilrechtliches Prinzip: Es gilt immer nur die zuerst erfolgte Rechteübertragung. Dieses Prinzip gesetzgeberisch allein im Bereich der Verwertungsgesellschaften außer Kraft zu setzen, um auf diese Weise den Urheber um einen Teil seiner Ansprüche gegen die Verwertungsgesellschaft zu bringen, dürfte kaum mit dem grundgesetzlichen Schutz von dessen Eigentumsrechten in Einklang zu bringen sein. Da aber der Gesetzgeber die vorgeschlagene Regelung bloß als „Übergangslösung“ bis zu einer europäischen Neuregelung sieht, fällt dieser Einwand praktisch wohl nicht ins Gewicht. Der geplante § 27a VGG bezieht sich hingegen ausschließlich auf gesetzliche Vergütungsansprüche, also auf die Pauschalabgaben: „Nach der Veröffentlichung eines verlegten Werks oder mit der Anmeldung des Werks bei der Verwertungsgesellschaft kann der Urheber gegenüber der Verwertungsgesellschaft zustimmen, dass der Verleger an den Einnahmen aus den in § 63a Absatz 1 Satz 1 des Urheberrechtsgesetzes genannten gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt wird.“ Hierzu muss man wissen, dass der BGH in seinem Urteil zur Verlegerbeteiligung (I ZR 198/13 – Verlegeranteil) ein kleines Schlupfloch gelassen hat. Zwar dürfen und durftem diesem Urteil zufolge Verlage nicht an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden: Allein die Urheber haben einen Anspruch auf die gesetzlichen Vergütungen. Möglich ist es aber, dass Urheber ihre entsprechende Ansprüche nach deren Entstehung an Verlage abtreten. Einfacher gesagt: Der Urheber kann, wenn er das Geld der VG WORT nicht haben will, diese anweisen, es lieber seiner Oma, dem Tierschutzverein oder auch einem Verlag zu überweisen. Logisch – denn natürlich verbietet das Gesetz dem Urheber nicht, über sein eigenes Geld zu verfügen. In dieses Schlupfloch versucht der Gesetzgeber nun einen Keil zu treiben, offenbar mit dem Ziel, den Verlagen wieder eine nicht unerhebliche Geldeinnahme zu ermöglichen. Die Abtretung des Auszahlungsanspruchs an Verlage soll sozusagen institutionalisiert werden, indem der Urheber sich nicht mehr aktiv darum kümmern muss, auf seine Ansprüche zu verzichten. Er soll nur noch der jeweiligen Verwertungsgesellschaft ein Formular unterschreiben und danach möglichst wenig von dem Ganzen mitbekommen. Auch bei dieser Regelung ist unklar, ob sie haltbar sein wird. Denn dem BGH-Urteil zufolge kann der Urheber erst nach Entstehung seiner Vergütungsansprüche zugunsten des Verlages auf diese verzichten. Der Gesetzgeber legt nun als „einheitlichen und praktisch besser bestimmbaren Zeitpunkt“ den der Veröffentlichung oder der Anmeldung bei der Verwertungsgesellschaft fest. Das Problem dabei: Wenn das Werk veröffentlicht ist, sind die entsprechenden Ansprüche des Urhebers noch gar nicht entstanden (vgl. z.B. Flechsig: Entstehung und Abtretung gesetzlicher Vergütungsansprüche, GRUR 11/2016). Schließlich soll sowohl in § 27 (2) als auch in § 27a (2) VGG noch festgelegt werden, dass die Verwertungsgesellschaft feste Quoten für eine Beteiligung der Verleger an Vergütungsansprüchen der Urheber festlegen können soll, sofern diese entsprechende Ansprüche abtreten. Auch das ist eine äußerst fragwürdige Regelung. Sie bedeutet letztlich, dass nicht der Urheber selbst, sondern die Verwertungsgesellschaft über die Höhe einer etwaigen Abtretung entscheidet. Mit dem Eigentumsrecht des Urhebers dürfte dies nicht in Einklang zu bringen sein. Unter dem Strich bedeutet das: Der Gesetzgeber ist bemüht, die Auswirkungen des BGH-Urteils zur Verlegerbeteiligung weitestgehend abzuschwächen, damit Verlage auch in Zukunft auf Kosten der Urheber an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden können. Die geplanten Regelungen sind im Detail rechtlich angreifbar, da sie nicht zuletzt einen klaren Verstoß gegen das Reprobel-Urteil des EuGH darstellen. Von der Initiative Urheberrecht, den Gewerkschaften oder den Autorenvertretern gibt es bislang keine Kritik an dem Entwurf. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags hat am 6. Juli 2016 eine Anhörung zu dem ursprünglichen Entwurf des BMJV durchgeführt. Lesenswert sind aus unserer Sicht vor allem die Stellungnahmen von Urs Verweyen und Henry Steinhau.
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Januar 2019
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